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Der Aufbau und die Weiterentwicklung einer Firma erfordern von Beginn an eine weitsichtige Kapitalstrategie. Im Kern geht es dabei um den Trade-Off zwischen der Sicherung des Geschäftsbetriebs durch Investitionen und der Erhaltung finanzieller Flexibilität.
Asset-Light-Strategie: So optimierst Du langfristig Dein Kapital
Geänderte Herausforderungen durch zunehmende Digitalisierung und wachsenden Konkurrenzdruck durch die Globalisierung stellen zusätzliche Anforderungen an die Flexibilität. Nicht zuletzt zeigen uns wirtschaftliche Krisen (dieser Artikel ist während der globalen Corona-Pandemie im Jahr 2020 entstanden) die hohe Bedeutung einer gesicherten Liquidität, um weiterhin handlungsfähig zu sein.
Was verbirgt sich hinter der Asset Light-Strategie?
Eine Frage, die jedes Unternehmen beschäftigt handelt davon, wo und in welchem Maße für eine Firma Eigentum an Assets notwendig und sinnvoll ist. Ein verbindliches “Richtig” oder “Falsch” gibt es dabei nicht. Vielmehr richtet sich das optimale Verhältnis von eigenen Assets zu ausgelagerten nach dem Geschäftsmodell und kann sich je nach Branche weiter unterscheiden. In den letzten Jahren ist jedoch ein deutlich verstärkter Trend zum sogenannten Asset-Light-Ansatz zu erkennen.
Definition - Was ist Asset-Light?
Bei “Asset Light” handelt es sich im Wesentlichen um eine Geschäftsmodell-Strategie und um die Frage, wie eine Firma seine Bilanz aufstellt und optimiert. Ein Unternehmen ist demzufolge “Asset Light”, wenn es (relativ) wenig Eigentum an Assets hat, also nur ein geringes Anlagevermögen in der Bilanz stehen hat. Besonders häufig ist die Asset-Light-Strategie bei Unternehmen aus der Dienstleistungsbranche zu finden, die prinzipiell wenig Kapital für den Geschäftsbetrieb benötigen. Zu den bekanntesten Beispielen zählen namhafte Unternehmen wie Airbnb und Uber oder Anbieter von Co-Working-Spaces wie WeWork.
Ein weiteres, sehr bekanntes Beispiel für den Asset Light-Ansatz ist das Unternehmen Apple, welches zahlreiche Bereiche, die hohe Investitionen (Produktionsanlagen, Personal) verursachen, an Dritte auslagert.
Vergleich: Asset Light vs. Asset Heavy
Zwar bietet mehr Eigentum an Assets (Asset Heavy-Ansatz), z.B. den Produktionsanlagen, einem Unternehmen mehr Kontrolle über diese Assets, wodurch sich verhindern lässt, dass Wissen (“Intellectual Property”) an Externe weitergegeben wird. Auf der anderen Seite bindet solches Eigentum massiv das Kapital der Firma (“Working Capital”), was folglich nicht für anderweitige Zwecke genutzt werden kann.
Aus diesem Umstand entwickelte sich der Asset-Light-Gedanke. Unternehmen mit vermindertem Working Capital sind finanziell meist deutlich flexibler und können so auf Veränderungen schneller reagieren. Außerdem ist eine gesicherte Liquidität nötig, um Krisenzeiten zu überbrücken.
Daneben bietet der Asset-Light-Ansatz eine Reihe weiterer Vorteile im Vergleich zum Asset-Heavy-Ansatz:
Skalierbarkeit
Bei der Nutzung eigener Assets lässt sich die Produktion nur bis zur Kapazitätsgrenze steigern. Weiteres Wachstum ist erst durch umfangreiche Investitionen in Produktionsanlagen und Infrastruktur möglich, was wiederum die Fixkosten erhöht und Kapital bindet. Unter der Voraussetzung, dass der externe Partner die Erhöhung der Kapazität zu jeder Zeit gewährleistet, kann bei einer Auslagerung der Unternehmensumsatz beliebig gesteigert (skaliert) werden. Eine entsprechende Vertragsgestaltung und unternehmerische Planungsweitsicht sind dabei unabdingbar. Dies ermöglicht aber auch in kritischen Zeiten finanzielle Absicherung, da variable Produktionskapazitäten als variable Kostenkomponente flexibel heruntergefahren werden können.
Gewinnausschüttung
Skalierbare Geschäftsmodelle bieten bei steigendem Umsatz auch eine wachsende Profitabilität. Daher sind sie für Investoren besonders interessant, bedeutet eine steigende Profitabilität auch eine zunehmende Gewinnausschüttung.
Wissensaggregation
Asset-Light-Unternehmen konzentrieren sich nur auf ihr Kerngeschäft und sourcen non-core Aktivitäten an externe Partner aus. Dadurch profitieren sie auch durch externes Know-how in vielen non-core Bereichen, das die Firma selbst nicht in dem Maße in diesen Bereichen erreichen könnte.
Wie wird mein Unternehmen Asset-Light?
Generell bedeutet die Transformation von asset-heavy zu asset-light, dass Firmen gebundenes Kapital (langfristiges Anlagevermögen bzw. Capital Expenditures – CAPEX) durch flexible, laufende Betriebsausgaben (Operating Expenditures – OPEX) ersetzen. Diese operativen Aufwendungen sind zum einen schnell anpassbar (reduzierbar oder aufstockbar) und zum anderen steuerlich zu 100% absetzbar. Bei CAPEX sind nur die Abschreibungen steuerlich absetzbar, welche oftmals geringer sind als die entsprechenden OPEX). Im Krisenfall können diese außerdem nur schwer liquidiert und das gebundene Kapital verfügbar gemacht werden.
Weshalb sich eine Verlagerung von CapEx zu OpEx für Dein Unternehmen lohnt!
Welche Asset-Light Modelle gibt es?
Wenn Du auf eine (teilweise) Asset-Light-Strategie umstellen möchten, stellt sich die Frage, wie eine Transformation möglich ist. Nachfolgend erläutern die Vor- und Nachteile 3 verbreiteter Modelle.
1. Leasing
Beim klassischen Leasing werden hohe Anfangsinvestitionen durch eine langfristige Finanzierung vermieden. Stattdessen werden die Assets über meist mehrere Jahre hinweg durch eine fixe monatliche Raten finanziert.
- Der Vorteil von Leasing ist, dass Unternehmen 1.) es vermeiden, durch Investitionen viel Kapital zu binden und 2.) die finanzielle Belastung über einen langfristig orientierten Zeitraum zu strecken.
- Von Nachteil ist hingegen die nicht vorhandene Flexibilität in der Vertragsgestaltung. Leasing-Verträge sind mit einer festen Laufzeit versehen und haben für den Leasing-Nehmer keine flexible Option zum vorzeitigen Ausstieg. Ein Unternehmen kann somit nicht flexibel auf den eigenen Bedarf oder wirtschaftliche Rahmenbedingungen, z.B. Krisen, reagieren. Zusätzlich müssen die geleasten Artikel in der Bilanz aktiviert werden und nur die Abschreibungen (der Wertverlust) können steuerlich geltend gemacht werden. Genau genommen handelt es sich beim Leasing also eher um ein Finanzierungsvehikel und weniger um eine Asset-Light-Finanzierung im eigentlichen Sinne.
2. Sale-and-lease-back
Sale-and-lease-back ist eine ausgeklügelte Variante von Leasing. In diesem Ansatz werden die eigenen Assets (z.B. Gebäude, Produktionsanlagen) verkauft. Der/die Käufer*in wird anschließend zum Leasing-Provider, von dem die Assets über mehrere Jahre zurück geleast werden.
- Der große Vorteil dabei, auch gegenüber dem normalen Leasing, ist ein hoher einmaliger Cash-Inflow durch den Verkauf, der anfangs zu einer erhöhten Liquidität führt. Die Leasing-Raten werden – je nach Asset – über einen langen Zeitraum finanziert und halten die finanzielle Belastung konstant auf einem geringerem Niveau.
- Der Nachteil bleibt, dass – analog zum einfachen Leasing-Ansatz – das Eigentum am Leasing-Objekt auf den Leasing-Nehmer übertragen wird und dieser somit als Eigentümer*in gilt. Von diesem Modell profitiert man nur, wenn man bereits im Besitz von Assets ist, die man verkaufen und anschließend zurück-leasen kann. Statt wirklicher Flexibilität ist auch dieser Ansatz eher ein Finanzierungs-Ansatz und weniger eine Maßnahme, um wirklich Asset-Light zu werden.
3. Mieten
Mieten ist im Geschäftsumfeld zwar bekannt, jedoch zumeist auf die Räumlichkeiten und Immobilien beschränkt. Man zahlt eine Nutzungsgebühr (i.d.R. monatlich) an den/die Eigentümer*in und bekommt dafür den Mietgegenstand zur Verwendung überlassen. In den letzten Jahren ist ein klarer Trend dahingehend zu erkennen, dass sich das Mietmodell auch in vielen anderen Anwendungsbereichen etabliert. Mieten ist ein sehr effektiver Weg, um das eigene Geschäftsmodell Asset-Light zu machen.
Die Vorteile des Mietmodells sind dabei recht vielfältig:
- Investitionsvermeidung: Auch beim Mieten lassen sich hohe Investitionen zu Beginn vermeiden. Teure Anlagen und Ausstattung können kostengünstig und zeitnah bereitgestellt werden.
- Geringe finanzielle Belastung: Stattdessen sind regelmäßige Raten für die Benutzung der Assets zu zahlen, wodurch der Cash Flow monatlich nur gering belastet wird.
- Maximale Flexibilität: In der Regel gibt es zudem die Möglichkeit, die Miete flexibel zu kündigen und so schnell auf wachsenden oder sinkenden Bedarf zu reagieren. Bei gemieteten Assets handelt es sich nicht um Eigentum, weshalb keine Aktivierung in der Bilanz erforderlich ist.
- Steuerliche Vorteile: Die gezahlten Mieten können als laufende Betriebsausgaben steuerlich zu 100% geltend gemacht werden. In vielen Fällen sind diese relevanter als etwaige Abschreibungen, die lt. AfA-Tabellen für Mobiliar beispielsweise über 13 Jahre linear aufgeteilt und geltend gemacht werden können.
Von Nachteil kann – je nach strategischer Wichtigkeit oder Verfügbarkeit – jedoch sein, dass man als Mieter*in kein rechtliches Eigentum an den Assets erwirbt. Eine Kontrolle über die Güter abseits des vereinbarten Nutzungszwecks besteht folglich nicht.
Für welche Vermögenswerte eignet sich die Asset-Light-Strategie?
Nicht für jede Branche eignet sich eine unternehmensweite Asset-Light-Strategie. Für Telekommunikationsunternehmen beispielsweise ist ein umfangreiches Eigentum an Assets zwingend, da das Betreiben der Netzinfrastruktur ihr Kerngeschäft darstellt und Treiber der Profitabilität ist. Dennoch ist es möglich, in einzelnen Bereichen den Anteil von eigenen Assets, Besitztümern, zu verringern.
Um die Frage zu beantworten, welche Vermögenswerte ein Unternehmen besser besitzen sollte und welche nicht, haben die Experten von BCG zwei simple Leitfragen entwickelt, die bei der Auswahl der richtigen Assets helfen:
Übersetzt heißt das: Güter und Anlagen, die für die Sicherstellung von Wettbewerbsvorteilen essentiell sind, sollte ein Unternehmen in der Regel selbst auch besitzen. Diese sind meist wesentlicher Bestandteil des Kerngeschäfts und somit kann Eigentum hier wichtig sein um Geschäftsrisiken zu minimieren. Gleiches gilt für Güter, die selten und daher schwer zu beschaffen sind. Können die beiden genannten Fragen mit “ beantwortet werden, ist eine Asset-Light-Strategie möglich und sinnvoll.
Beispiel: Büroausstattung
Ein anschauliches Beispiel für weder strategische noch schwer zu beschaffende Assets in Unternehmen sind Gegenstände der Büroausstattung. Sofern das Unternehmen nicht im Markt für Büroeinrichtung tätig ist, sind Möbel und IT-Ausstattung der Mitarbeitenden unabdingbar für das Geschäft, aber nicht strategisch wertvoll und zudem leicht zu beschaffen. Außerdem ist die Anschaffung einer neuen Einrichtung anfangs mit hohen Investitionen verbunden.
Für die Umsetzung einer solchen Asset-Light-Strategie in Bezug auf Büroausstattung eignet sich die Miete von Möbeln.
Szenario 1: Ein Startup aus Berlin kauft neue Arbeitsplätze für seine 100 Mitarbeiter und zahlt für diese Möbel 2.000 Euro pro Mitarbeiter. Somit gibt das Unternehmen auf einen Schlag 200.000 Euro aus.
Szenario 2: Dasselbe Startup mietet die Büromöbel und verteilt somit die Kosten über Zeitraum von zwei Jahren. Dabei zahlt die Firma nur 100 Euro pro Mitarbeiter pro Monat.
Sehr hohen Anfangsinvestitionen (Szenario 1) stehen hier geringe monatliche Mietausgaben (Szenario 2) gegenüber, welche durch die monatlichen Erlöse gedeckt werden können. Das Unternehmen verfügt Tag eins der Entscheidung über liquide Mittel in Höhe von 198.000 €, welche zur Steigerung des Kerngeschäfts verwendet werden können.
Für eine Vielzahl von Firmen ist der Asset-Light-Ansatz die richtige Entscheidung. Unternehmen werden flexibler, können ihre Umsätze steigern und sichern auch in Krisenzeiten die Liquidität – entscheidende Vorteile in einem zunehmend kompetitiven globalen Wettbewerb.